Bericht vom Wirtschaftsanlass im Schloss Klingnau zum Thema "Auswirkungen der BVG-Reform auf die Wirtschaft"

Heutiges BVG-Gesetz trägt der Realität nicht mehr genügend Rechnung.

(ef) Zu einem Podiumsgespräch über die Auswirkungen der BVG-Reform hat die FDP des Bezirks Zurzach am Dienstagabend ins Schloss Klingnau eingeladen. Zum Thema diskutierten Christine Egerszegi, alt Ständerätin und Präsidentin der Eidg. BVG-Kommission, Beat Bechtold, Geschäftsführer der AIHK, René Utiger, Präsident des Wirtschaftsforum Zurzibiet und Adrian Meier, Versicherungsexperte und Grossrat. Moderiert wurde das Podium von Grossrätin Claudia Hauser.

Abstimmung im kommenden Jahr

Im März haben der National- und Ständerat die BVG-Reform nach mehrjähriger Diskussion verabschiedet. Gegen die Vorlage ist das Referendum zu Stande gekommen. Im kommenden Jahr wird das Volk deshalb an der Urne über die Reform entscheiden können. Abgestimmt wird nächstes Jahr auch noch über drei weitere Vorlagen aus dem Sozialbereicht, unter anderem jene der Jungfreisinnigen zur Erhöhung des Rentenalters.

Ziele und Realitäten

Mit einem Einführungsreferat gab Christine Egerszegi, eine ausgewiesene Kennerin der Sozialversicherungen, einen Überblick zu den politischen Zielen und gesellschaftlichen Realitäten der BVG-Reform. Das heute geltende Gesetz werde den neuen gesellschaftlichen und arbeitsmarktlichen Realitäten nicht mehr gerecht. Bei der Einführung, 1985, galt noch das alte Eherecht, die Menschen leben heute länger, bei Personen mit tiefem Einkommen sowie Teilzeit- oder Mehrfachbeschäftigung gibt es Vorsorgelücken und ältere Arbeitnehmer werden wegen den hohen Beiträgen benachteiligt. Auch instabile Finanzmärkte und schwankende Börsenwerte konnte man sich 1985 nicht vorstellen, sagte die Referentin. Mit der heutigen Lebens- und Renditeerwartung müsse der gesetzlich vorgeschriebene Mindestumwandlungssatz für den obligatorischen Teil von 6.8 Prozent angepasst werden. Der Status quo führe zu einer zu hohen Altersleistung, zu einer Umverteilung von Beiträgen von Aktiven zu Pensionierten und für die Kasse zur Gefahr einer Unterdeckung. Als letzte Massnahme müssten Arbeitnehmer und Arbeitgeber, oder bei staatlichen Kassen der Steuerzahler, mit Sanierungsbeiträgen die Unterdeckung ausfinanzieren. Die Referentin ist sich bewusst, dass eine Senkung des Umwandlungssatzes eine heikle Angelegenheit ist. Betroffen von der Senkung sind allerdings nur etwa 12 % bis 16 % der Vorsorgeeinrichtungen im obligatorischen Bereich. Vorsorgeeinrichtungen im überobligatorischen Bereich trifft es nur am Rande. Die Senkung des Umwandlungssatzes führe zwar zu einer Renteneinbusse, diese würden für eine Übergangsgeneration von 15 Jahren aber mit einem Rentenzuschlag kompensiert. Dank dieser Ausgleichsmassnahmen bleibe das Rentenniveau erhalten. Im Detail erläuterte die Referentin die Ausgleichmassnahmen und die weiteren Anpassungen am Gesetz.

Vorteile für tiefe Einkommen

Während der rund einstündigen Podiumsdiskussion wurden verschiedene Aspekte der Revision angesprochen, so auch die Kosten für die Betriebe, die Attraktivität des Arbeitsplatzes Schweiz, die Auswirkungen auf den Fachkräftemangel, aber auch der fehlende Mut zu einer umfassenderen Revision. Die Reform bringe für Personen mit tiefem Einkommen, für Teilzeit- und für Mehrfachbeschäftigte eine bessere Absicherung. Insbesondere die neue Regelung der Altersgutschriften führe dazu, dass ältere Arbeitnehmende auf dem Arbeitsmarkt nicht weiter benachteiligt würden. Trotzdem haben Gewerkschaften, SP und Grünen das Referendum ergriffen. Christine Egerszegi sieht dafür ideologische Gründe. Statt des BVG wollen sie einen Systemwechsel zu einer Vollrente.

Besonders viel Geduld

Für alle Podiumsteilnehmende ist es dringend nötig, dass etwas passiert. Die Revision habe Vor- und Nachteile. Längerfristig würden die Vorteile überwiegen. Positiv werden von den drei Vertreter der Wirtschaft die Auswirkungen für Teilzeitbeschäftigte und ältere Arbeitnehmende beurteilt. Weitere Massnahmen wären aber nötig. Eine davon ist die Erhöhung des Rentenalters. Beat Bechtold kann sich aber auch noch andere Modelle vorstellen. Diskutiert wurde über die Zeitdauer der Revision. Für Christine Egerszegi ist BVG die Abkürzung von „Besonders viel Geduld“. Für René Utiger ist der lange Prozess der Preis des demokratischen Systems und für Adrian Meier sind kleine Schritte immer noch besser als gar nichts.

Sozialsystem, eine Selbstverständlichkeit

Die Podiumsteilnehmenden waren sich einig, dass die Herausforderung darin bestehe, dem Volk die Vorlage zu erklären. Unser Sozialsystem sei für viele selbst verständlich geworden. Viele, insbesondere Jüngere, interessierten sich zu wenig für das Thema. Heute sei es Mode, nur noch 80% zu arbeiten. Viele wären sich nicht bewusst, dass weniger Arbeiten auch weniger Altersgutschriften und damit nach der Pension auch weniger Rente zur Folge hätten.

Hinweis auf nächsten Anlass

Bevor zum Apéro überging, dankte Claudia Hauser den Podiumsteilnehmenden, überreichte ihnen ein Präsent und machte noch auf die nächste Veranstaltung zum Thema Blaulicht am 10. Oktober in Bad Zurzach aufmerksam. Diskutiert wird an diesem Abend über das Thema Sicherheit. Nationalrätin Maja Riniker wird über Sicherheit auf nationaler und Repol-Chef René Lipuner über Sicherheit auf kommunaler Ebene sprechen. Handfester wird der 3. Teil mit der Feuerwehr.