Sind Schulnoten ein alter Zopf?

Bericht der FDP Sommertagung vom 11. Juni 2024, im Kulturhaus Rain, Kleindöttingen“

(ef) Über Schulnoten wird derzeit emotional und kontrovers diskutiert. Während die einen in den Noten eine exakte, objektive und vergleichbare Messgrösse sehen, erachten andere das System als diskriminierend, leistungshemmend und einen alten Zopf. Glaubt man der Forschung, sind Noten wenig aussagekräftig und haben oft eine negative Wirkung auf Kinder und Jugendliche. Vor allem Eltern und Ausbildungsfirmen haben sich in der Vergangenheit aber immer wieder für Noten starkgemacht. Aus ihrer Sicht zeigen sie die Entwicklung von Schulkindern einfach nachvollziehbar und vergleichbar auf, was die Veranstaltung der FDP Aargau vom Dienstagabend im Kulturhaus Rain in Kleindöttingen auch bestätigte.

Teilnehmende auf dem Podium.

Erkundigt bei Fachleuten

Die FDP wollte es genau wissen, ob Schulnoten im späteren Leben der Kinder noch ihre Berechtigung haben. Sie erkundigte sich dort, wo Schülerinnen und Schüler nach ihrer obligatorischen Schulzeit auf die Arbeitswelt vorbereitet respektive nach abgeschlossener Berufslehre bestehen müssen und haben Margret Baumann, Rektorin an der Berufsschule Aarau und Nicole Meier, Ressortleiterin Bildung Schweizerischer Arbeitgeberverband als Gastreferentinnen zur traditionellen Sommertagung eingeladen.

Berufsfachschule braucht Noten

An der Berufsschule Aarau werden 3'232 Lernende in 201 Klassen und verschiedensten Berufen unterrichtet. Rektorin an dieser Schule ist Margret Baumann. In ihrem Referat legte sie dar, wieso die Berufsschule Noten braucht. Einerseits verlangt dies das Eidgenössische Berufsbildungsgesetz, in welchem Prüfungen und Qualifikationsverfahren detailliert beschrieben sind. Gesetzliche Grundlagen gibt es aber auch im Aargauischen Gesetz über die Berufs- und Weiterbildung. Wie die Notengebung zu erfolgen hat, ist in der berufsspezifischen Bildungsverordnung festgelegt. Die Leistungsbeurteilung geschieht mit Zeugnis und Noten von 1 bis 6. Eine Ausnahme gibt es einzig beim Sportunterricht. In diesem Bereich kann die Leistung mit Worten oder Messwerten ausgedrückt werden.

Selektionsverfahren nötig

Durch eine hohe Durchlässigkeit sieht die Rektorin die Chancengleichheit für alle gewährleitet. Die Berufsschule kenne im Unterricht keine Lernzielbefreiung. Hingegen könne für nachgewiesene Beeinträchtigungen ein Nachteilsausgleich beantragt werden. Die Notengebung sei oftmals aber ein menschliches Problem und hänge von verschiedenen Faktoren ab. Auch gebe es grosse Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen. Bei der Anstellung sei für den Lernbetrieb ein vergleichbares Selektionsverfahren notwendig. Ein anderer Weg sieht die Referentin in Eignungstests.  Diese wären aber nicht gratis. Sie können jedoch dem Jugendlichen aufzeigten, welche Chancen, Möglichkeiten und Kompetenzen er habe und wie Lücken gefüllt werden könnten. 

Art der Messung irrelevant

Nicole Meier, Ressortleiterin Bildung Schweizerischer Arbeitgeberverband beleuchtete das Thema aus der Perspektive der Arbeitswelt. Es brauche eine leistungsorientierte Beurteilung. Schulnoten würden dem Ausbildungsbetrieb als Orientierungspunkt dienen. Aber oftmals genügten diese als alleiniges Kriterium nicht. Ein Problem sei die mangelnde Vergleichbarkeit, insbesondere für überregional ausbildende Betriebe. Die Wirtschaft habe Interesse an einer vergleichbaren und einfach interpretierbaren Beurteilung. Die Art der Messung sei irrelevant, solange die Angaben für den Arbeitgebenden verständlich sei.  Wünschenswert wäre eine nationale Harmonisierung der Beurteilung in Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren. Checks könnten als ergänzende Informationen diese Rolle übernehmen und helfen, Lücken frühzeitig zu identifizieren und gerade im letzten Schuljahr die Motivation hochzuhalten.

Aus dem Sport lernen

Die anschliessende Podiumsdiskussion moderierte Grossrätin und Gemeindeammann von Möriken-Wildegg, Jeanine Glarner. Erweitert wurde das Podium mit Dr. Titus Meier, Grossrat, Präsident Kommission Bildung, Kultur und Sport, Ressortleiter Bildung FDP Aargau. In der Diskussion vertrat er die politische Seite brachte aber auch seine Sicht als Lehrer ein. In der Podiumsdiskussion wurde die Rolle der Ausbildungsbetriebe, der Eltern, der Gesellschaft, der Checks, aber auch die Bedeutung der Noten nochmals vertieft. Deutlich wurde aufgezeigt, dass Bewertungen möglichst aussagekräftige und vergleichbare Beurteilungen liefern müssen. Dabei wären Noten einfach, klar und auch für nicht Deutsch sprechende Eltern verständlich. Jedes System, ob mit Smileys, Blümchen, Farben, Worten oder Noten sei wertend. Kinder sollten, wie im Sport lernen, mit schlechten Noten umzugehen. Wer früh lernt mit Prüfungssituationen umzugehen, habe es leichter in der beruflichen Grundausbildung, im Erwerbseben und im Alltag. Die anschliessende engagierte Publikumsdiskussion bestätigte die Aussage des Podiums: Schulnoten dürfen nicht abgeschafft werden.

Nach einer knapp einstündigen Diskussion schloss Parteipräsidentin Sabina Freiermuth den offiziellen Teil und leitete zum traditionellen «Bier mit Wurst» über.