Fusion versus Zusammenarbeit
Parteipräsidentin Sabina Freiermuth erwähnte in der Begrüssung, das Thema sei speziell im Hinblick auf die Gemeindewahlen im Herbst gewählt worden. Im ersten Referat sprach Stefan Kalberer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter/Doktorand am Zentrum für Demokratie Aarau über Herausforderungen und Chancen der interkommunalen Zusammenarbeit.
Vier Kernelemente
Die Gemeindeautonomie enthalte vier Kernelemente, die Bestandesgarantie, die selbständige Aufgabenerfüllung, die fiskalische Autonomie und die Organisationsfreiheit. Im internationalen Vergleich stehe die Schweiz bezüglich Autonomie an zweiter Stelle. Innerhalb der Schweiz gebe es allerdings grosse Unterschiede. Festzustellen sei, dass die Autonomie in der Tendenz von West (Genf) nach Ost (Thurgau) zunehme. Die Gemeindelandschaft sei sehr kleingliederig strukturiert, was unter anderem, auf Gund unterschiedlicher verfügbarer Ressourcen, zu qualitativ unterschiedlichen Dienstleistungen führe. Mit einer Gemeindefusionen oder der interkommunalen Zusammenarbeit werde versucht, diese Nachteile zu verringen. Die Zusammenarbeit führe zu Kosteneinsparungen, ermögliche eine Professionalisierung und erlaube eine aufgabenspezifische Organisation. Dass diese Form auch zu einem Demokratie-Defizit führen könne, zeigte der Referent mit spezifischen Auswertungen.
Gemeindeautonomie stösst an Grenzen
Andreas Schmid, Grossrat, Vizeammann von Lenzburg und Geschäftsführer der Gemeindeammännervereinigung Aargau behandelte das Thema aus Sicht eines Praktikers. Die Gemeindeautonomie sei unter Druck und stosse vermehrt an Grenzen. Einen Grund ortet er in den gebundenen Ausgaben. Ein Grossteil der budgetierten Positionen sei nicht beeinflussbar. Die Handlungsfreiheit der Gemeinde (fiskalische Autonomie) würde damit stark eingeschränkt. Ein weiterer Punkt sei die Anspruchshaltung der Gesellschaft an den Staat sowie die Überzeugung, «Behörden dürften keine Fehler machen». Damit verbunden sei ein Rechtsanspruch. Dies erfordere bei der Verwaltung angepasste Strukturen, mehr Personal, andere Systeme und schnellere Abläufe was wiederum zu höheren gebundenen Ausgaben führen würde. Ein weiterer Einflussfaktor sei die demographische Entwicklung. Einerseits würden höhere Kosten aus der Pflegefinanzierung anfallen, andererseits steige auch der Bedarf nach neuen Schulräumen. Zwei Faktoren, die ebenfalls zu höheren gebundenen Ausgaben führen würden. Als vierten Punkt nannte Schmid die zunehmende Regulierungsdichte. Man sei bestrebt, überall zu kontrollieren, zu steuern und zu lenken. Jedes Gesetz und jede Verordnung müsse vollzogen werden. Dies erfordere zusätzliches Personal mit besonderem Fachwissen. Auch hier steigen die gebundenen Ausgaben. Festzustellen sei aber auch ein Attraktivitätsverlust des Milizamtes, eine wachsende Aufgabenlast und ein negativer Einfluss von Social Media. Gebe es eine Meinungsverschiedenheit, komme schnell einmal ein Rechtsanwalt ins Spiel.
Mögliche Lösungsansätze
Begegnet werde all diesen Tendenzen mit einer Professionalisierung der Verwaltung, mit politischer Einflussnahme, mit einer Steigerung der Attraktivität des Arbeitgebers und mit der Digitalisierung. Möglich Lösungen wären je nach Problemstellung Gemeindefusionen oder eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit in Form von Outsourcing oder gemeinsamer Organisation einer Aufgabe.
Verzettelung vermeiden
Kosten aus dem Vollzug kommunaler Aufgaben werden für die Gemeinde zu gebundenen Ausgaben. Dies komme letztlich einem Autonomie-Verlust gleich. Ein weiterer kritischer Punkt sei die langfristige Bindung. Interkommunale Zusammenarbeit könne zwar viele Probleme lösen, führe aber je nach Umfang und tiefe der Zusammenarbeit zu einem Autonomieverlust. Hier stelle sich die Frage nach dem Mehrwert gegenüber einer Fusion. Als Tipp für den Weg der Zusammenarbeit empfahl der Referent, sich ein Ziel mit Schwerpunkten zu setzen und eine Verzettelung unbedingt zu vermeiden.
Parteilosen fehlt das Netzwerk
Die anschliessende Podiumsdiskussion moderierte Grossrätin und Gemeinderätin Claudia Hauser. Erweitert wurde das Podium mit Sheena Heinz, Gemeindeschreiberin Otelfingen, Präsidentin Fachbeirat Verband Aarg. Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber. Verschiedene im Referat angesprochene Aspekte wurden weiter vertieft. Festgestellt wurde, dass das Verständnis von Gemeindeautonomie sehr unterschiedlich ist. Angesprochen wurde auch ein weiterer Effekt, die zunehmende Anzahl parteiloser Gemeinderats-Mitglieder und deren Einfluss auf die Gemeindeautonomie. Erfahrung würden zeigen, dass den parteilosen in den meisten Fällen ein Netzwerk fehlt und sie so keine Möglichkeiten haben, von Erfahrungen anderer zu profitieren. Wie Sheena Heiz bestätigte, verfügen parteilose für eine Entscheidungsfindung oftmals nur über die Informationen aus der Verwaltung während Parteimitglieder zusätzlich noch Informationen an weiteren Stellen einholen könnten.
Nach einer knapp einstündigen Diskussion schloss Parteipräsidentin Sabina Freiermuth den offiziellen Teil und leitete zum traditionellen «Bier mit Wurst» über.